Wenn du hier auf gingado schon fleißig gelesen hast, weißt du bereits einiges über Quilombos, Sklaven und über Zumbi.
Aber in diesem Artikel geht es um eine Legende.
Eine Geschichte, die die brasilianische Gesellschaft bis heute prägt.
Um den größten Quilombo der Welt, der über ein Jahrhundert lang ein Ort der Hoffnung für Unterdrückte war.
Um den Quilombo dos Palmares.
Sicher hast du den Namen schon mal gehört, sei es in Liedern, im Zusammenhang mit Zumbi oder irgendwo anders.
Aber kennst du auch die ganze Geschichte?
Die Entstehung
Der Quilombo dos Palmares bestand aus Siedlungen, die um 1600 überwiegend von geflohenen Sklaven in der Serra da Barriga, im heutigen Bundesstaat Alagoas, errichtet wurden.
Erstmals erwähnt wurde eine solche Siedlung bereits 1580, also etwa 40 Jahre nachdem die ersten afrikanischen Sklaven nach Brasilien verschleppt wurden. Was natürlich nicht heißt, dass sie nicht vielleicht schon früher existierte. Schließlich kann man davon ausgehen, dass die Zahl Buch führender Reisender im unbesiedelten Hinterland eher gering war ;)
Die Gründer suchten auf ihrer Flucht nach einem sicheren Ort, der in ausreichender Entfernung zu den Plantagen und Städten lag, zugleich in schwierigem Gelände und gut zu verteidigen war. Anfangs handelte es sich dabei wahrscheinlich um eine kleine Gruppe bewaffneter Sklaven, die ihren Verfolgern entkommen konnten und den Grundstein für einen Ort der Freiheit legten.
Wann genau und von wem Palmares gegründet wurde, ist also nicht bekannt. Auch ist über die ersten Jahrzehnte wenig überliefert, erst als der Quilombo immer größer wurde und Kontakt zu Reisenden und benachbarten Orten bekam, tauchen Dokumente und Berichte darüber auf.
Der Aufbau
Anders, als du es dir vielleicht vorstellst, handelte es sich beim Quilombo dos Palmares keineswegs um eine riesige Siedlung mit zehntausenden Bewohnern, sondern um einen Verbund von Dörfern oder kleinen Städten, die etwa 20 bis 50 km voneinander entfernt lagen.
So erstreckte sich Palmares über ein Gebiet von etwa 70 mal 140 Kilometer, also eine Fläche von über 9.000 Quadratkilometern!
Die größten (überlieferten) Siedlungen von Palmares waren:
- Macaco, die Hauptstadt
- Subupira, der Stützpunkt des Heeres (dazu später)
- Acotirene
- Tabocas
- Zumbi
- Dambrabanga
- Osenga
- Amaro
- Andalaquituche
- Alquatune
Einige Siedlungen wurden nach den für sie verantwortlichen Personen benannt, andere nach Tieren oder afrikanischen Orten.
Regiert wurde der gesamte Quilombo vom König von Palmares, zunächst Ganga-Zumba, später dann sein Neffe Zumbi.
Die Siedlungen unterschieden sich voneinander im Aufbau und in ihrer Funktion. Jedes einzelne Dorf hatte einen Chef, bei dem in friedlichen Zeiten die Entscheidungsgewalt lag.
In Kriegszeiten (und die waren besonders in den letzten Jahrzehnten von Palmares eigentlich ständig) wurden dagegen Versammlungen unter Leitung des Königs von Palmares abgehalten, um die Verteidigungsstrategien zu besprechen.
Ein Reisender, der die Hauptstadt Macaco besuchte, schildert die Siedlung mit den Worten “Straßen, zwei Reihen Häuser, Zisternen, ein Platz für Aktivitäten, ein großes Versammlungshaus, Stadttore, Palisaden und Befestigungen.”
Also alles andere als ein primitives Lager geflohener Sklaven!
Die Bewohner der Sklavenrepublik
Warum gerade der Quilombo dos Palmares so groß wurde, weiß man nicht, aber schon in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts kamen immer mehr geflohene Sklaven nach Palmares. Bis in die Städte gelangten Gerüchte über die “Sklavenrepublik”, sodass sich immer mehr Menschen auf den Weg dorthin machten.
Auch wenn die genaue Lage des Quilombos unbekannt war, erreichten unzählige Sklaven ihr Ziel. Das lag auch daran, dass die Bewohner von Palmares kleine Trupps aussendeten, um die Ankommenden zu empfangen und zu den Siedlungen zu führen.
1625 griffen die Holländer den Nordosten Brasiliens an, was die gewohnten Abläufe in der Kolonie ordentlich durcheinander brachte. Diese Situation nutzten viele Sklaven auf den Plantagen zur Flucht, sodass sich in Angriffszeiten (1630 bis 1654 erneut) die Bevölkerungszahlen von Palmares vervielfachten.
Aber es waren keinesfalls nur ehemalige Sklaven unter den Bewohnern von Palmares, sondern auch andere Flüchtlinge der Gesellschaft, wie Kriegsdienstverweigerer, Indios, Kriminelle oder Deserteure.
So entstand eine vielfältige Gesellschaft, die nach festen Regeln in Gemeinschaft und Solidarität lebte. Jeder trug mit seinen Fähigkeiten zum Wohl des Quilombos bei, sodass die Wirtschaft florierte.
Unter den ehemaligen Sklaven waren nämlich nicht nur Plantagenarbeiter, sondern auch Handwerker und gebildete Leute.
Um mittlerweile Tausende von Menschen zu ernähren, arbeiteten die meisten der Bewohner auf den Feldern, wo Mais, Bananen, Bohnen, Maniok, Süßkartoffeln und Zuckerrohr angebaut wurde. Anders als auf den Plantagen bewirtschaftete jedoch je eine Person einen kleinen Acker mit verschiedenen Pflanzen. Außerdem hielten viele Bewohner Hühner und Schweine.
Dieses Konzept und die Tatsache, dass die Bewohner hart arbeiteten, um sich ein Leben in Freiheit aufzubauen, führten dazu, dass an Nahrung kein Mangel herrschte und sogar teils gewaltige Überschüsse produziert wurden, die gegen andere Güter getauscht wurden.
Ganz anders sah es für viele Menschen in den Städten entlang der Küste aus, wo zeitweise Nahrungsmittelknappheit herrschte. Dieser Unterschied in der Produktivität zwischen freien und unterdrückten Sklaven fiel sogar den Portugiesen auf, als der Gouverneur in einem Brief von den “großartigen Arbeitern von Palmares” sprach. Was natürlich nicht dazu führte, das Konzept der Sklaverei zu überdenken.
Zusätzlich zum Ackerbau und zur Viehzucht gab es noch Palmarinos (Bewohner von Palmares) die für die Jagd oder den Fischfang zuständig waren und das Nahrungsangebot erweiterten.
Die Ernten wurden gesammelt und an die Bewohner verteilt, für Ernteausfälle und Feste wurden Vorräte angelegt und der Rest wurde bei Gelegenheit getauscht. Nach jeder Ernte wurde gefeiert und für zwei Wochen nicht auf den Feldern gearbeitet.
Doch die Ernte war nicht der einzige Grund zum Feiern: Häufig fanden auch religiöse Feiern statt, sowohl christliche, als auch afrikanische, die sich miteinander mischten. In der Hauptstadt Macaco gab es sogar eine Kapelle mit Bildern von Jesus, Maria und verschiedenen Heiligen.
Abgesehen von der konstanten Bedrohung durch die Kolonialmacht war das Leben in Palmares wohl durchaus angenehm, in jedem Fall besser, als die Unterdrückung in Sklaverei, obwohl es auch in Palmares eine Form von Sklaverei gegeben haben soll. Dabei wurden die Sklaven aber deutlich besser behandelt als auf den Fazendas und hatten angeblich fast den Status von Familienangehörigen.
So brachte es der Quilombo im Jahr 1697 auf eine unglaubliche Zahl von 16.000 bis 20.000 Einwohnern!
Kontakt zum Rest der Kolonie
Wie du siehst, war Palmares keine geschlossene Gruppe ohne Kontakt zur Außenwelt. Der Quilombo hatte Verbindungen zu benachbarten Dörfern, Fazendas und sogar bis in die Städte an der Küste.
Von einigen freundschaftlichen Kontakten bekamen die Palmarinos Informationen und tauschten Güter wie Salz, Waffen, Munition oder Kleidung. Diese Unterstützung war natürlich von den Portugiesen verboten und wurde, besonders während der Angriffe auf Palmares, hart bestraft.
Oftmals überfielen auch kleine Gruppen von Palmarinos fahrende Händler oder Fazendas, um an benötigte Waren zu kommen. Einige dieser Überfälle hatten auch zum Ziel, Sklaven zu befreien und mit nach Palmares zu holen, besonders Frauen (die Palmarinos lebten übrigens polygam).
Der (ständige) Kampf um Palmares
Wie du bereits weißt, wurden die einzelnen Siedlungen in Kriegszeiten vom König koordiniert, um zusammen gegen die Angreifer zu kämpfen. In den Anfangsjahren bestand die Verteidigung aus einigen Gruppen von Kriegern, die die umliegenden Wälder auf der Suche nach Angreifern durchstreiften.
Doch als der Quilombo immer größer wurde, war diese Art der Verteidigung nicht mehr ausreichend und es wurde ein eigenes Heer und eine Verteidigungsstrategie gegründet.
Dieses Heer wurde in Subupira (einer Siedlung mit etwa 800 Häusern) ausgebildet und unterstand dem Ganga-Muica, dem Kommandant. Die Soldaten waren bewaffnet mit Pfeil und Bogen, Lanzen und Schusswaffen und lernten auch den Nahkampf, wahrscheinlich in Form von Capoeira.
Es wurden Verteidigungsanlagen gebaut, die überwiegend aus Palisaden um die Siedlungen bestanden. Die Hauptstadt Macaco war komplett von einem etwa 2 km langen Zaun eingefasst, der über drei Stadttore verfügte, von denen jedes von 200 Soldaten bewacht wurde. Auch Subupira glich einem Fort und galt als uneinnehmbar.
Wurde der Quilombo nicht direkt bedroht, bestand die Aufgabe des Heeres vor allem im Beobachten und Spähen, um den Schutz der arbeitenden Bewohner zu gewährleisten.
Stand dagegen ein Angriff bevor, waren die Palmarinos meist schon vorher gewarnt, durch ihre Kontakte in den Städten oder durch eigene Späher. In diesem Fall berief der König einen großen Rat im Versammlungshaus ein, bei dem Vertreter aller Dörfer, Berater und der Kommandant anwesend waren. Es wurde über das Vorgehen gegen die Angreifer diskutiert, unter dem Oberbefehl des Königs.
Dieses Vorgehen funktionierte so gut, dass es jahrzehntelang keiner der zahlreichen Expeditionen gelang, Palmares zu zerstören oder auch nur ernsthaft Schaden zuzufügen. Die portugiesischen Soldaten waren mit den unübersichtlichen Wäldern überfordert und kannten oft nicht einmal den genauen Standpunkt der Siedlung, die sie angreifen sollten, sodass die Palmarinos siegten.
Der Friedensvertrag und der neue König
Doch für die Kolonie blieb Palmares ein gewaltiger Dorn im Auge, der sie Arbeitskräfte kostete und Überfälle auf Fazendas und Reisende machte. Das führte sogar dazu, dass die Portugiesen 1678 eine Delegation aus Palmares mit diplomatischen Ehren empfingen und versuchten, einen Friedensvertrag auszuhandeln.
Nach einigen Verhandlungen akzeptierte der Ganga-Zumba den Vertrag, der vorsah, das Palmares aufgegeben wurde und sich seine Bewohner als freie Menschen auf ein ihnen zugewiesenes Gebiet zurückziehen sollten.
Dieser Vertrag spaltete die Bewohner von Palmares. Die eine Fraktion war die ständigen Kämpfe und Verluste Leid und sehnte sich nach einem ruhigen Leben, auch wenn Palmares dafür aufgegeben werden musste. Diese Gruppe unterstützte den Ganga-Zumba und war bereit, ihm auf das neue Land zu folgen.
Die andere Gruppe allerdings war gegen den Friedensvertrag, da er alle Sklaven außerhalb von Palmares außer Acht ließ und nur den Palmarinos die Freiheit versprach. Diese Fraktion wollte nicht aufgeben, solange noch ein einziger Sklave unterdrückt wurde und weigerte sich, den Vertrag zu akzeptieren und dem Ganga-Zumba zu folgen.
Anführer dieser Gruppe war Zumbi, Ganga-Zumbas Neffe, der nach afrikanischer Tradition das Amt des Königs erben sollte. Nachdem Ganga-Zumba und seine Gefährten den Quilombo verlassen hatten, soll ein Anhänger Zumbis den alten König vergiftet haben.
Und so wurde Zumbi der neue König von Palmares. Er war geschickt und sein strategisches Können bewahrte den Quilombo unzählige Male vor der Eroberung durch portugiesische Truppen.
Doch die gaben natürlich trotzdem nicht auf und begannen 1693 mit den Vorbereitungen für die endgültige Vernichtung des Quilombos. Dazu wurden Häftlinge rekrutiert, aber auch Indios, Schwarze und Weiße in den Krieg gegen die Sklavenrepublik geschickt.
Insgesamt soll die Kolonie 6.000 bis 9.000 Soldaten geschickt haben. (Die Holländer eroberten ein paar Jahre zuvor den gesamten Staat Pernambuco mit 7.000 Mann!)
1694 gelang es dieser Expedition nach mehreren Versuchen, die Hauptstadt Macaco zu zerstören. Viele Bewohner wurden getötet, einige konnten in die umliegenden Wälder fliehen. Auch Zumbi und einige seiner Anhänger konnten fliehen und leisteten noch fast zwei Jahre Widerstand gegen die Soldaten der Kolonie, die nach und nach die anderen Städte des Quilombos angriffen und zerstörten.
Am 20. November 1695 gelang es den Soldaten, Zumbi zu fassen, nachdem sie einen seiner Anhänger folterten, bis er ihnen Zumbis Versteck verriet. Sie köpften ihn und stellten seinen Kopf an einem öffentlichen Platz in Salvador aus.
Mit Zumbis Tod war der letzte Widerstand der Palmarinos gebrochen und nach über 100 Jahren war der Quilombo dos Palmares zerstört.
Doch bis heute ist Palmares ein Symbol für den schwarzen Widerstand in Brasilien und besonders Zumbi wird als Held gefeiert.
Heute gibt es in der Region des Quilombos einen Gedenkpark mit verschiedenen nachgebauten Hütten, Vorführungen und ganz viel Geschichte. Hier gibt es Fotos.
Übrigens gibt es einen informativen Roman über Palmares. Da ist so ziemlich der ganze geschichtliche Hintergrund drin, verpackt in eine spannende Geschichte. Das Buch ist schon etwas älter aber sehr lesenswert. Erhältlich hier * oder hier als kindle*.
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Quellen
Os Quilombos e a rebeliao negra - Clovis Moura
https://pt.wikipedia.org/wiki/Quilombo_dos_Palmares
http://basilio.fundaj.gov.br/pesquisaescolar./index.php?option=com_content&view=article&id=187&Itemid=1
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